So geht’s auch: Isabelle Hielscher mit ihren Kühen Hazel und Edelweiß

»Die Einkaufstasche ist politisch«

Auch im Kölner Umland sind die Landwirte frustiert: zu hohe Kosten, schwindende Einnahmen. Aber was könnte ihre Lage verbessern?

Der Schwarzkohl kommt »vom Helmut«, der Spitzkohl »von Norbert«. Im Restaurant Maibeck in der Altstadt erfahren Gäste nicht nur etwas über die Herkunft der Weine, sondern auch über die des Gemüses. Jan Maier und Tobias Becker, Inhaber des Sterne-Restaurants, wollen mit bestmöglichen Produkten kochen. »Man muss nur erleben, wie eine Karotte riecht, die gerade aus dem Acker kommt statt aus der Tüte«, sagt Maier. »Das ist betörend.« Dafür fahren die Köche regelmäßig raus aus Köln und holen das Gemüse direkt von den Höfen. Mit den Jahren haben sie eine Beziehung zu Landwirten wie Helmut Hartmann und Norbert Pesch aufgebaut. »Es geht uns auch um Wertschätzung für ihre Arbeit«, sagt Maier.

Wertschätzung erlebt auch Isa Hielscher, die auf dem Hielscher Hof in Leichlingen für 220 Kühe zuständig ist. Schon ihre Eltern haben auf Direktvermarktung umgestellt. Es gibt etwa Käse und Joghurt im Hofladen, sie liefern Milch in Cafés und Eisdielen in Düsseldorf und Köln. Der Kundenkontakt bedeutet aber noch mehr: »Wir können unsere Preise selbst festlegen«, so Hielscher. Für die Läden ist das kaum teurer. Der Erzeuger aber bekommt mehr.

Das ermöglicht es Hielscher auch, Tiere anders zu halten. »Wir haben etwa ein paar Hobbykühe — alte Kühe, die keine Milch mehr bringen, aber Geld kosten«, sagt sie. »Wir bringen es nur nicht übers Herz, sie zu schlachten.« Sie weiß, dass sie Glück hat: »Wir haben eine günstige Lage zwischen den Städten. Wenn ein Hof mitten in der Pampa liegt, funktioniert so ein Konzept nicht.« Hielscher versteht den Frust mancher Landwirte. »Wenn zumindest die Hälfte des Preises eines Joghurts bei den Erzeugern ankäme! Ich glaube nicht, dass die Preise viel höher sein müssen. Die Konzerne stecken einen Großteil ein.«

Die Macht großer Lebensmitteleinzelhändler wie Rewe und Aldi kritisiert auch Dorle Gothe von der Regionalwert AG Rheinland: »Die diktieren den Preis. Bei steigenden Energiekosten gibt es kaum Entgegenkommen.« Die Folge: Erzeugerpreise seien so niedrig, dass viele kleine und mittlere Betriebe sich nicht halten könnten. Aber auch der Bauernverband habe hauptsächlich große Betriebe vertreten, sagt Gothe. So erkläre sich auch, dass von den Subventionen vor allem die Großen profitieren: »Je mehr Land jemand hat, desto mehr bekommt er — ohne etwas tun zu müssen.« In NRW sei der Energiekonzern RWE ein großer Beihilfe-Empfänger: Er rekultiviere Flächen für die Landwirtschaft, die vormals für den Bergbau genutzt wurden, so Gothe. »Bisher wurde nachhaltige Landwirtschaft nicht honoriert. Am meisten Geld verdient, wer möglichst viel Umwelt verbraucht.« Laut Studie der Boston Consulting Group von 2019 entstehen durch die deutsche Landwirtschaft jährlich Umweltkosten rund 90 Mrd. Euro.

Dabei seien Landwirte Täter und Opfer zugleich, sagt Gothe: »Ob bei Klimaveränderung durch Treibhausgase mit den Folgen von Dürren und Flut, beim Verlust von Bodenfruchtbarkeit, Humus oder Artenvielfalt — Landwirtschaft hat einen immensen Einfluss auf lebenswichtige Ressourcen.«

Ich glaube nicht, dass die Preise viel höher sein müssten — die Konzerne stecken einen Großteil ein
Isabelle hielscher, Hielscher Hof

Aber gut mit dem Boden umzugehen, sagt Landwirtin Hielscher, müsse man sich leisten können. Da hilft die Direktvermarktung. Deshalb sei es gut, dass Landwirte aus dem Kölner Umland immer »sichtbarer« würden, so Jan Maier vom Restaurant Maibeck: »Es gibt die Öko-Märkte, wo wir direkt bei den Erzeugern einkaufen können, oder es werden regionale Obst- und Gemüse-Kisten durch die Stadt gefahren.«.

»Die Einkaufstasche ist politisch«, so Sabine Eckart von der Fleischerei Eckart in Lindenthal. Sie freut sich, dass gerade junge Kunden neugierig seien. Mal geht es um die Zubereitung bestimmter Cuts, mal um die Herkunft der Tiere. Ein Herzensthema von Eckart: »Wir haben uns keinem Label unterworfen. Ich möchte mir die Höfe selber aussuchen, Landwirte und Höfe kennen.« Gute Zusammenarbeit bedeute auch faire Bezahlung: »Wir haben bei den Schweinen einen festen Kilo-Preis. Der ändert sich, sobald der Landwirt sagt, dass es teurer werden muss.«

Jan Maier vom Maibeck sieht die Politik in der Verantwortung: »Wenn die ihre Aufgabe vernünftig machen, ergibt sich das Kon­sum­verhalten automatisch.« Trotzdem müsse man auf Qualität achten: »Ich habe tausend Möglichkeiten, diese paar Euro zwischen gutem und schlechtem Gemüse woanders einzusparen.«