Hier soll es bald ein Nachtcafé für Obdachlose geben: »Überlebensstation Gulliver« nahe dem Hauptbahnhof

Viele Ideen, wenig Geld

Es gibt nun ein Konzept gegen Wohnungslosigkeit. Aber was kann es bewirken?

Jürgen Helten ist seit 2016 wohnungslos. Damit er nicht auf der Straße leben muss, hat die Stadt Köln ihn in einem sogenannten Einfachhotel in Mülheim untergebracht: ein kleines Zimmer mit Dusche und WC sowie gemeinschaftlicher Kochgelegenheit. Wie in allen Einrichtungen für Wohnunglose gelten dort besondere Hausregeln: Besuch nur nach Anmeldung und nie über Nacht. Helten hat zuvor in einem anderem Einfachhotel und in Wohnheimen gewohnt. »Ich habe es vergleichsweise gut getroffen.« Es sei im Haus relativ ordentlich, und während sonst Zwei- oder Vierbettzimmer die Regel sind, hat Helten jetzt ein Einzelzimmer.

Doch Helten weiß auch, wie viel das die Stadt kostet: 51 Euro pro Nacht und Bewohner, also 1500 Euro pro Monat. Lieber hätte Helten eine kleine Wohnung, zum deutlich günstigeren Preis. Doch er findet keine. Mehr als 1600 Wohnungslose lebten 2023 in Einfachhotels in Köln. 2018 waren es noch 770. Und die Zahl steigt.

Nun hat die Stadt deutliche Worte für diesen Trend gefunden: Es sei eine »grundlegende Herausforderung für die Wahrung der Grund- und Menschenrechte«, heißt es im »Kölner Konzept zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit«, an dem Verwaltung, Politik, soziale Träger und Immobilienexperten zweieinhalb Jahre gearbeitet haben, und das der Rat Mitte Mai verabschiedet hat. Was als »kurzfristige Maßnahme zur Gefahrenabwehr« gedacht gewesen war, stelle »in der Realität für viele Menschen über einen langen Zeitraum ihre Wohnsituation dar. Sie haben nur geringe Chancen, aus den Einfachhotels herauszukommen.« Im Schnitt leben die Menschen zwei Jahre dort, manche gar 14.

Die meisten Maßnahmen sollen lediglich die Symptome von Wohnungslosigkeit lindernKai Hauprich, housing first

Das Konzept macht Vorschläge, durch weitere Angebote zur Prävention, bessere Hilfen bei Wohnungsverlust und Wohnvermittlung die Wohnungslosigkeit zu reduzieren — mit dem per EU-Resolution erklärten Ziel, diese bis 2030 zu beenden. Konkret soll eine »Soziale Wohnraumagentur« eingerichtet werden, bei der Sozialarbeiter und Immobilienfachleute gemeinsam versuchen, bei Vermietern Vertrauen aufzubauen und Obdachlose in Wohnungen zu vermitteln. Es soll ein ämterübergreifendes »Case-Management« installiert werden, in der Anlaufstelle Gulliver am Hauptbahnhof soll ein Nachtcafé für Straßenobdachlose eröffnen, und es sollen Betroffene am Prozess beteiligt werden.

Kann das Konzept etwas Grundsätzliches bewirken? »Wir hatten bislang viele Einzelmaßnahmen in der Wohnungslosenhilfe, aber mir fehlte der rote Faden«, sagt Katja Hoyer (FDP). 2021 forderte sie gemeinsam mit SPD und Linken ein ämterübergreifendes Konzept. »Diese Neuerung leistet das Konzept, das begrüße ich sehr.« Dennoch hat sich ihre Fraktion im Rat enthalten, weil die Finanzierung nicht gesichert sei. Tatsächlich sind nur die Soziale Wohnraumagentur, das Projekt Housing First sowie die Hilfen für EU-Migranten im Haushalt veranschlagt, wobei die beiden letztgenannten nicht neu sind. Ein Antrag von SPD und Linke im Sozialausschuss, 5,2 Mio. Euro für die Umsetzung des Konzepts in den Haushalt 2025/26 einzustellen, wurde abgelehnt. Sozialdezernent Harald Rau argumentiert, vieles ließe sich dadurch finanzieren, dass sich die Stadt teure Hotelkosten spare, wenn die Menschen in Wohnungen vermittelt würden. Hoyer überzeugt das nicht: »Solange kein alternativer Wohnraum da ist, sehe ich nicht, wie wir die Menschen aus den Hotels herausbekommen können.« Es sei unseriös, Erwartungen zu wecken, die angesichts der knappen Haushaltslage nicht zu erfüllen seien.

Kai Hauprich, Leiter des Projekts Housing First, das Wohnungslosen ohne Vorbedingung reguläre Wohnungen zur Verfügung stellt, sieht durchaus die Notwendigkeit einiger Maßnahmen im Kölner Konzept. Allerdings seien die meisten lediglich darauf ausgerichtet, »die Symptome zu lindern«. Lediglich zwei Maßnahmen drehten sich um die Grundfrage, wie die Menschen an Wohnraum kämen. Um den Trend umzukehren, brauche es ein »gesamtgesellschaftliches Commitment, mehr sozialen Wohnraum zu schaffen und die Armut zu bekämpfen«. Kommunalpolitik und Verwaltung müssten endlich beherzt Verantwortung übernehmen, so Hauprich. Im Konzept heißt es: »Zur Beseitigung von Wohnungslosigkeit muss die Stadt Köln angemessenen und bezahlbaren Wohnraum schaffen.« Und weiter: »Insgesamt hängen die Finanzierbarkeit und das Gelingen des Konzepts davon ab, dass das Wohnraumproblem und die Flächenkonkurrenz erfolgreich aufgelöst werden können.«